NDR-Bigband 2004

Und so stand es in der Celleschen Zeitung:

Temporeich, lyrisch, perfektioniert: NDR-Big-Band überzeugt in Celle

 

 

Kraftvoll führte Reiner Winterschladen (Trompete) die NDR-Big-Band durch die Geschichte einer tragischen Liebe.

Ein herausragender Solist an der Trompete, eine Band, die ihre musikalischen Freiräume voll nutzt und ein erfrischendes Vorspiel örtlicher Gruppen – der zweite Auftritt der NDR-Big-Band in Celle wurde zum vollen Erfolg. Der Schwerpunkt lag diesmal ganz auf dem Jazz, der sowohl klassisch wie auch modern, ja sogar mit Eigenkompositionen junger Musiker „gewürzt“ war.

Bereits zum zweiten Mal war die Bigband des Norddeutschen Rundfunks aus Hamburg auf Einladung der Neuen Jazz Initiative zu Gast in Celle. Auf dem Programm stand diesmal unter anderem die legendäre Miles Davis/Gil Evans-Produktion der Gershwin-Oper „Porgy And Bess“, die, 1958 als Schallplattenaufnahme eingepielt, als ein Meilenstein in die Geschichte des Jazz eingegangen ist. Als bekanntestes Stücck dieser Bearbeitung gehört „Summertime“ in der Interpretation von Miles Davis unbestritten zu den Klassikern des modernen Jazz.
Nach den erfrischenden Beiträgen der Dixieland-Jazzband des Kaiserin-Auguste-Viktoria-Gymnasiums und der Stick Connection im Vorprogramm stellte sich die NDR-Big-Band unter Leitung von Gastdirigent Lucas Schmid in einem ersten Set mit einem „musikalischen Selbstportrait“ vor: Nicht mit gängigen, oft gehörten BigBand-Standards sondern mit sehr jungen Eigenkompositionen aus der Feder einzelner Bandmitglieder, die den erstklassigen solistischen Bläsern viel Raum zur Improvisation ließen, wurde mit den „Bildern einer Band“ das angekündigt hohe Niveau der Musiker bestätigt. Dabei wurden alle klanglichen Möglichkeiten einer Bigband in den durchweg temporeichen Arrangements voll ausgeschöpft.
Hohen Wiedererkennungswert hatte dagegen im zweiten Teil des Konzerts die „Porgy And Bess“-Bearbeitung von Gil Evans, die eine Erweiterung der Big-Band-Besetzung um vier Gastmusiker an Tuba und drei Hörnern erforderlich machte: Evans hatte mit diesen und weiteren im Jazz bis dahin nicht üblichen Instrumenten das Klangspektrum des orchestralen Jazz seiner Zeit revolutioniert.
Die NDR-Band, die sich sehr dicht ans Original hielt, es aber dennoch nicht einfach nur nachspielen wollte, nutzte die in der Partitur angelegten Freiräume und legte die Evans-Arrangements ein wenig schneller und in den Bläsersätzen noch dynamischer und kraftvoller an. Auch das Zusammenspiel von Schlagzeug (Danny Gottlieb) und Bläsern wirkte im Vergleich zur historischen Tonvorlage, die damals in nur vier Tagen eingespielt werden musste, perfektioniert.
Nicht die schwüle, träge Südstaatenhitze des Originalschauplatzes von „Porgy And Bess“ wurde auf diese Weise klanglich umgesetzt sondern eher das grelle, etwas unterkühlte aber energiegeladene Leben der modernen Städte, was der großartigen Gesamtwirkung der Orchester-Suite aber nicht entgegenstand.
Einen ganz entscheidenden Anteil am Gelingen hatte sicherlich der herausragende Solist an der Trompete: Reiner Winterschladen füllte den Part von Miles Davis mit eigener musikalischer Persönlichkeit und erzählte kraftvoll und zugleich sehr lyrisch mit immer wieder wechselnder Klangfärbung die anrührende Geschichte von der großen aber tragischen Liebe zwischen dem Krüppel Porgy und seiner schönen Bess.
Bewundernswert auch die Kondition Winterschladens, der, der – bis zur Erschöpfung gefordert – die Anstrengung kaum hörbar werden ließ. Ein großer Jazz-Abend, der vom Publikum zu Recht mit Begeisterung aufgenommen wurde.

Elisabeth Dornbusch